Besuch bei der „Autobahngeschichtlichen Sammlung Erkner“, Juni 2025
Jeder Autofahrer benutzt sie, im Ausland ist sie bekannt und berühmt, ideologisch wird und wurde sie missbraucht, und sie stellt in ihrer Gesamtheit die Lebensader Deutschlands für den Personen- und Güterverkehr dar: die Autobahn.
Während wir die graue Bahn benutzen, machen wir uns kaum Gedanken darüber, welcher personelle Einsatz und welche Technik erforderlich ist, um uns eine sichere Reise zu ermöglichen. Diese Technik wird koordiniert und eingesetzt durch die Autobahnmeistereien, die seit einigen Jahren zur Autobahn GmbH gehören.
Wenn überhaupt, sehen wir die orangen Fahrzeuge und Mitarbeiter, die sich bei Wind und Wetter um die Kontrolle der Autobahn, die Beseitigung von Schäden, die Absicherung von Unfallstellen und den Winterdienst kümmern. Um nur einige der vielfältigen Aufgaben zu nennen.
Unser Clubfreund Thomas Huth machte uns darauf aufmerksam, dass es zum Thema Autobahnmeisterei ein Museum in unserer Sektion Berlin-Brandenburg gibt, nämlich am östlichen Berliner Ring in Erkner. Mit der passenden Adresse „An der Autobahn 1A“.
Natürlich auf dem Gelände der Autobahnmeisterei, das selbst ein historisches Ensemble aus den 40ern darstellt. Besonders der Siloturm stellt eine Besonderheit dar, denn er wurde als erstes Streugut-Lager seiner Art schon 1942 in Betrieb genommen und für die Lagerung von Split genutzt, mit dem man damals Glatteis bekämpfte, bevor sich Streusalz durchsetzte. Im Sommer wurde der Split durch LKWs angeliefert und nach unten abgekippt. Von dort wurde das Streugut mit einem Becherwerk nach oben in den eigentlichen Bunker befördert, so dass die Streufahrzeuge per Schwerkraft vor dem Einsatz schnell befüllt werden konnten. Das Becherwerk ist heute noch voll funktionsfähig, bei ohrenbetäubender Lautstärke, denn man konnte die bewegten Teile nicht schmieren – das Fett hätte sich mit dem Split verklebt. Heute ist der Siloturm in Erkner das einzige Exemplar, das Krieg und Wirren der Nachkriegszeit überlebt hat. Wie die anderen Gebäude auf dem Gelände wurde der Turm 2007/2008 saniert und behutsam modernisiert.
Heute werden in den verschiedenen Etagen des Treppenhauses Memorabilia zum Thema Autobahnbau und –instandhaltung ausgestellt, beispielsweise Schilder, Fotos von den Freigaben der Autobahnen rund um Berlin nach der Instandsetzung in den 90ern, und eine Etage ist dem internationalen Wettbewerb der Schneepflugfahrer gewidmet, die sich zu Europa- und Weltmeisterschaften treffen, um Geschicklichkeitsaufgaben zu bewältigen – mit dem UNIMOG!
In der Sammlung wird ein weiter Bogen gespannt von der Idee der Autobahnen, über die Darstellung verschiedener Projekte bis hin zur Geschichte der Autobahnen in der ehemaligen DDR und rund um Berlin. Sehr deutlich wurde, dass in den 30ern Planung und Bau erheblich schneller erfolgte als heute und die Bauwerke viel dauerhafter waren. Natürlich darf man nicht vergessen, dass damals zum Bau auch Zwangsarbeiter eingesetzt wurden.
Gerade rund um Berlin waren Bahnen und Brücken nach dem Krieg stark zerstört, was die Autobahnmeister vor große Herausforderungen stellte, denn trotz Materialknappheit musste die Infrastruktur schnell wiederhergestellt werden. Es wurde Altmaterial aufgearbeitet und viel improvisiert.
Zu allen diesen Ausstellungsstücken hatte Herr Andreas Müller, Verwalter der Autobahngeschichtlichen Sammlung, viel zu erzählen, denn als ehemaliger Technikdirektor und Leiter der Autobahnmeisterei war er über Jahrzehnte direkt am Geschehen und vermochte aufgrund hervorragender Vernetzung, viele Stücke der Sammlung zusammenzutragen und so für die Allgemeinheit zu retten.
Heute kümmert er sich um Betreuung und Ausbau der Sammlung und gibt sein Wissen gerne und engagiert an Besuchergruppen weiter. Wussten Sie, dass das Streusalz weniger als 0,5% Feuchte enthalten darf, bevor es in den Silos eingelagert wird? Sonst klumpt es und verstopft das Silo. Wussten Sie, dass man mit einer Flüssigkeit, hergestellt aus den Abfällen der Rübenzucker-Produktion, versucht hat, die Haftung des Salzes auf der Straße zu verbessern? War teuer und hat nicht gut funktioniert. Wussten Sie, dass es früher individuell designte Brückengeländer gab, heute aber einen Einheits-Typ?
Auch die Materialwissenschaften kommen nicht zu kurz – aus Erfahrungen und dann wissenschaftlich unterfüttert. So steht auf dem Gelände das Teil einer Stahlbrücke, das im Winter 1938 plötzlich einen Riß bekam – das Ereignis wurde bekannt als „Der Knall von Rüdersdorf“. Materialversprödung durch Schweißarbeiten verbunden mit einem schnellen Temperaturwechsel waren die Ursache, und das bereits kurz nach der Inbetriebnahme. Es wurde repariert, nicht ausgetauscht: Um das defekte Segment wurde ein Verstärkungsrahmen genietet – man lernte offenbar schnell…
Herr Müller hat auch eine umfangreiche und sehr eindrucksvolle Bibliothek zusammengetragen, über die man auf der Webpage https://www.autobahnmeisterei-erkner.de/public/bibokomplett einen Überblick gewinnen kann. Auch hier wird deutlich, wie intensiv die Forschung über ingenieurs- und materialwissenschaftliche Themen bezüglich aller Aspekte der Autobahn erfolgt.
Trotzdem werden Fehler gemacht: es muss ja billig sein, und so hat man bei der Wiederherstellung der ostdeutschen Autobahnen nach der Wende falsche Zuschlagstoffe verwendet, die den sogenannten „Betonkrebs“ verursachen. Beispiele finden wir ebenfalls in der Sammlung. Deshalb freuen wir uns seit Jahren über langwierige Baustellen auf eigentlich fast neuen Autobahnen. Und der Steuerzahler darf ran, weil die Ausschreibungen fehlerhaft formuliert waren und daher die Bauunternehmen nicht haften. Das nur am Rande.
Auf dem Außengelände sind diverse Arbeitsmaschinen und Fahrzeuge zu bestaunen: Die jeweiligen Lehrlinge der Autobahnmeisterei haben diverse Streu-Anhänger als Ausstellungsstücke instandgesetzt, eine Technik, die heute nicht mehr verwendet wird, da das Fassungsvermögen zu gering ist. Mit einem Opel-Blitz-Bus aus 1957 wurden zu DDR-Zeiten die Mitarbeiter zu den einzelnen Arbeitsstationen auf der Autobahn transportiert. Und Highlights sind die beiden riesigen Ural-Schneeräumlaster, deren Schneefräsen durch russische Panzermotoren angetrieben werden, die auf den Ladeflächen installiert sind. Größe und Sound sind genial.
Das älteste Fahrzeug der Sammlung, eine dieselelektrische Raupenfräse von 1941, wird wahrscheinlich leider nie mehr fahrbereit sein, wenn nicht ein edler Spender die Mittel zur Verfügung stellt, einen passenden Magirus-Motor zu suchen und zu erwerben. Da nämlich das Vehikel auf einem Renault-Panzer-Fahrgestell aufgebaut ist, wurde es nach dem 2. Weltkrieg als „Kriegsgut“ eingestuft und durch grobe Zerstörung wichtiger Antriebsteile unbrauchbar gemacht. Die Raupenfräse stand bis 2013 in Traunstein, bevor sie nach Erkner umzog und so gerettet wurde.
Das Antriebskonzept wird uns heute wieder als „modern“ verkauft, allerdings schon im 19. Jahrhundert erfunden: der Dieselmotor treibt einen Generator an, dessen Leistung Elektromotoren in Gang setzt. So spart man sich mechanische Getriebe, die bei der erforderlichen Leistung damals sehr groß und schwer gewesen wären. Zudem stellen Elektromotoren ab Drehzahl „1“ ein gleichmäßig großes Drehmoment zur Verfügung, was gerade bei einem Arbeitsgerät wie unserer Fräse die Nutzbarkeit deutlich verbessert.
Der geneigte Leser sieht: das Thema „Autobahn“ ist faszinierend in seiner Breite, und die Autobahngeschichtliche Sammlung Erkner leistet einen wichtigen Beitrag dazu, das Wissen über die Autobahn und verbundene Themen zu erhalten und zu verbreiten. Deshalb auch auf diesem Wege einen herzlichen Dank an Herrn Müller und die Aktiven um ihn, die die
Sammlung erhalten und unterstützen!
Unsere kleine Ausfahrt an den östlichen Rand Berlins beschlossen wir im „Solino trifft Südtirol“ in Gosen-Neu Zittau, wo wir die Eindrücke bei leckerem Essen in einem traumhaften Biergarten Revue passieren ließen.