Nachts um zwei Uhr – oder
„Denk‘ daran, dass wir deinetwegen fahren!“
Wenn man jede Nacht die Phase der senilen Bettflucht erleben darf, manchmal mehrfach, gewöhnt man sich an Verhaltensweisen, die mit der Zeit zu Ritualen werden und wegen meiner Vergesslichkeit auch dringend benötigt werden und regelmäßig zwischen ein halb zwei Uhr beginnen und manchmal erst um 4 Uhr enden. Daran gewöhnt man sich und nennt diesen Abschnitt der geistigen Wochenerinner-ungsbewältigung, also „die Vergangenheitsbewältigung“ eines Fünfundachtzig-jährigen, die ich mittlerweile ob meiner Vergesslichkeit auch dringend nötig habe.
Meiner Frau geht es ähnlich: Wir ergänzen uns, indem sie behält, was ich vergesse und umgekehrt. So erging es uns mal wieder, als wir Anfang Oktober aus dem Urlaub kommend, daran erinnert wurden, dass die geplante Ausfahrt der Sektion Aachen nach Luxemburg nur meinetwegen aufgelegt wurde! Aus Angst, dass ich irgendwo in D – B – L grenzenlosem Nachbargewusel allein zurückgelassen werden könnte, gab Margrit, meine Aufpasserin für innen und außen, meinem Drängen nach, mich zu begleiten und auf mich zu achten.
Guy, unser Chef aus Eupen, rief mich an und gab mir zu Verstehen, dass man ja nur wegen mir die Ausfahrt durchführe und ich daher nicht allein mitfahren könne. Nun fuhr Walter allein, weil Ingrid wegen eines angebrochenen Rückenwirbels sich diese Strapaze nicht mehr zutraute. Walter wollte aber nicht mit uns sondern mit seinem XK8 die Tour bewältigen. Schließlich fuhr Margrit mit Stephan und Rosemarie im XJ 8 351 und ich mit Walter im XK 8 4,2 conv., durch die „Sackeifel“ hin nach Luxembourg. Dieser Teil der Eifel wird so genannt, weil hinter Monschau dieser Teil begann und dort endete, wo die Schneifel beginnt und eine Gegend bezeichnet, in der bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts noch „Eselshochzeiten“ gefeiert wurden. Dies ist eine traditionelle Bezeichnung und damit nicht kritisierbar, aber heute überholt. Mitten in eben diesem Teil der Eifel stießen noch zwei E type V12 aus Aachen und Offenbach, daher „offen“, zu uns. Dass diese Ausfahrt nicht Sternfahrt genannt werden konnte, lag daran, dass alle aus dem Norden anreisten und Halbsterne gibt es nicht.
Hatten wir in der Vorwoche schon die tollsten Varianten des Wetters – bis hin zur Stornierung der Tour - telefonisch durchgespielt, schaute ich den belgischen Wetterbericht für die Landwirtschaft tagsüber an, und in mir wuchs Zuversicht: bis Samstag sollte es regnen, sonntags regenfrei sein, jedoch bewölkt mit Abnahme der Bewölkung gegen späten Vormittag vollbracht sein. Das kam den E-Typ-Fahren zugute, da sie als einzige mit offenem Dach unterwegs waren. Und so geschah es auch!
Meiner Frau ging es nicht so gut, so dass sie nach einem Serpentinenabschnitt den Sitz neben dem Fahrzeuglenker aufsuchte. Sie ist das “sanfte Schweben“ auf dem Rücksitz in einem XJ 8 nicht gewohnt, und ihr ist daher das Schweben, wie auf Wolken, wohl nicht bekommen. Meinen emotionalen Tiefpunkt hatte ich am ersten Halt: Dieser Halt ist mir bekannt von früheren Ausfahrten durch das Ourtal, bei Maspelt gelegen. Dort gibt es ein Häuschen – die Leser aus dem Bergischen unter uns wissen, was ich damit meine. Für uns ist es als ein Ort zum Unterstellen des vom Wetter geschundenen Körpers bei Regen und Wind und Schnee und Sonne. Diesmal bot sie Schutz gegen den Wind.
Bei einer Außentemperatur von 3 Grad – in Worten „drei“, gefühlt minus „dreißig“ – gefror mir Stein und Bein, nur weil ich den Anorak nicht aus dem Kofferraum holen wollte, der offen war. Und weil das Häuschen gar kein Häuschen, sondern nur ein Verschlag war, der nach zwei Seiten hin offen ist, suchten alle Teilnehmer die Leeseite der Bretter auf. Und da alle froren, fror ich mit!
So ging langsam immer mehr die Sonne auf - bei 7° C und Guy & Lizzy führten uns gen Weiswampach in Luxembourg, direkt hinter der Grenze, mit den gefühlten 100 Tankstellen. Der Sprit kostete 30 ct. weniger als in der Heimat, weshalb alle – bis auf einen – einen kräftigen Schluck vom „Grünen“ tankten. Am Restaurant war klar, wie der Tankdeckel beim XJS geöffnet werden kann, so dass der XJS nach dem Essen nochmals nach Luxembourg fahren durfte, um den billigen Grünen zu kaufen.
Im Restaurant angekommen fanden wir 2/3 der Tische für uns, den Rest für eine andere Gruppe reserviert, so dass der Laden voll war und die Serviceleute viel Mühe aufbringen mussten, um die vorbestellten Gerichte korrekt, also wie bestellt, auf die Gäste zu verteilen. Das war Schwerarbeit für 3 Personen - inklusive Chef!
Hier noch ein besonderes Lob den Organisatoren Lizzy und Guy: Plante Guy die Tour theoretisch, wurde die Probefahrt von beiden perfekt organisiert. Auf der Reise selbst wurde Guy durch das Fahren und Lizzy durch das Beifahren geadelt: Guy mit konstantem Tempo und nicht zu schnell, an kritischen Punkten wartend bis alle aufgeschlossen hatten mit einer kongenialen Copilotin, deren rechter Arm mit lauwarmem Wasser im Restaurant wieder aufgetaut werden musste, da dieser bei halbgeöffnetem Fenster den Union Jack für Signalisierungen benötigt wurde. Und das bei 3 °C! Des Weiteren hatte Lizzy im Restaurant die wichtige Aufgabe, die Essen den Bestellungen gemäß zu verteilen, da sie als einzige unsere Namen den vorbestellten Menüs richtig zuordnen konnte. Das alles lief perfekt und ohne Aufregung ab.
Für mich war der Indian Summer wohl am beeindruckendsten! Selten sieht man in dieser Zeit so unterschiedliche Farbvarianten in ein und demselben Wald. Generell bin ich in meinem Leben eine gleichmäßigere Farbänderung gewöhnt. Aber dies heute ist neu für diese Gegend.
Danke Lizzy und danke Guy!
P.S.
Ich fürchte, dass ein paar von uns im kommenden Frühjahr und Sommer die Tour mit Variationen wiederholen werden. Die Rückfahrt für Walter & Jo ging über die Autobahn St. Vith – Verviers – Aachen. Wir glaubten, dass dies eine singulare Entscheidung von Walter und mir war. Falsch! Meine Frau erschien 5 Minuten später mit Rosemarie und Stephan bei uns.
Dass wir immer noch von der Tour reden, macht sie nur noch schöner! Einen Nebeneffekt gibt es noch. 3 Knöllchen in einem Monat:
1. Eupen – Aachen mit 51 km/h geblitzt, bei erlaubten 50 macht 70 €. Die Post braucht von Eupen nach Aachen länger als die eingeräumte Zeit zum Zahlen;
2. Autobahn Lüttich – Ans: 99 km/h statt 90 mit 63,42 € und
3. AC, Vaalser Str. am Westfriedhof soll ich für 56 statt 50 km/h 30 € zahlen. Ich zahlte, weil ich Angst habe, dass sie mich als Serientäter einstufen, weil ich schon 85 Jahre alt bin. Obwohl ich keinen Unfall seit 1964 gebaut habe, zählen am Ende nur bürokratische Vorschriften, die stets eine Verkürzung der realen Zusammenhänge sind.
Jo Weiß, 29.10.2025
PPS:
Fotos zu der Ausfahrt stehen hinter dem Kurzartikel :
Ausfahrt durch das Drei Ländereck Belgien, Deutschland, Luxemburg.